Mit einem Jahresnettoverbrauch von über 20.000 Tonnen
an Raffinadezinn gehört Deutschland zu einem der weltweit
größten Zinnverbraucher. Der Bedarf wird zum Großteil
durch Importe gedeckt. Hauptverwerter sind dabei die
chemische und die Elektronikindustrie. Gerade der Bedarf
in der EMS (Electronic Manufacturing Services) - Industrie
hat nach der Umstellung in den neunziger Jahren von
bleihaltigen Loten auf bleifreie Legierungen exponentiell
zugenommen. Durch die zunehmende Elektrifizierung und
Digitalisierung unserer Lebensbereiche wird auch in den
kommenden Jahren der Bedarf an dem besonderen Metall
mit den guten chemischen und physikalischen Eigenschaften
konstant hoch bleiben. Umso wichtiger ist die permanente
und störungsfreie Verfügbarkeit für unsere Industrie.


Die Corona - Pandemie hat uns in den letzten Monaten vor
Augen geführt, in welcher Abhängigkeit wir uns bei Rohstoffen
aus dem außereuropäischen Ausland befinden.
Die Haupterzeugerregionen der 8 weltweit größten Produzenten
in Asien und Südamerika waren teilweise Hot
Spots der Pandemie. Lieferkürzungen und Einstellungen
der Produktion in den Regionen wurden zeitweilig umgesetzt.
Damit drohte auch ein Produktionsstillstand der
verarbeitenden Industrie in Deutschland. Viele EMS - Unternehmen
stellen nicht nur bestückte Leiterplatten für die
Unterhaltungsindustrie oder die Automobilbranche her,
sondern auch für hoch kritische Bereiche wie beispielsweise
für medizinische Gerätschaften. In Anbetracht des
drohenden Szenarios der Nichtverfügbarkeit des Industriemetalls,
wurde Zinn über Nacht zum strategisch bedeutenden
Element für die Bundesrepublik Deutschland.


Wie viele Schlüsselbereiche, wurde somit auch die Feinhütte
Halsbrücke GmbH, als Deutschlands komplexeste Zinn- und
Bleihütte, bereits im März diesen Jahres, als systemrelevantes
Unternehmen eingestuft. Obwohl ein positiver Trend in
Deutschland und Europa zu beobachten ist, stellt sich dennoch
die Frage, wie die Pandemie weiter verlaufen wird.
Sind die Rohstoffimporte auf längere Sicht gesichert?


Festzuhalten ist, dass in Zeiten einer kontinentalübergreifenden
Produktion von Erzeugnissen oder Bauteilen,
von Just in Time, Leanmanagement, Outsourcing
und schrumpfenden Lagerbeständen, die Störanfälligkeit
der (über)globalisierten und vermeintlich perfekt
abgestimmten und optimierten Systeme, immens ist.
Insbesondere wenn nicht planbare Ereignisse die Welt
ins Chaos stürzen. Eine hohe Wertschöpfung vor Ort
schützt im besonderen Maße vor Unterbrechungen in
der Lieferkette, sichert Knowhow und unter dem Strich
Arbeitsplätze und Wohlstand.


Als Hochtechnologieland, mit einer eigenen relevanten
Produktion, benötigt Deutschland eine langfristige Planungssicherheit
bei Metallen und Legierungen - insbesondere
bei strategisch wichtigen Industriemetallen.


Aufgrund begrenzter Bodenschätze in der Republik fällt
der Blick hierbei zwangsläufig vor allem auf die Sekundärrohstoffe.
Diese steuern zur weltweiten Zinnproduktion
aktuell weniger als 1/3 bei und haben deutlich mehr
Potential. Um dieses auszuschöpfen, bedarf es einer
besseren Performance bei der Produktgestaltung. Das
Thema Recycling muss von Anfang an mit in das Produktkonzept
einfließen. Man kann von den Entsorgungsdienstleistern
und Metallhändlern nicht verlangen, sich
mit den Problemen einer suboptimalen Verträglichkeitsmatrix
von Werkstoffen nach deren Lebensdauer zu beschäftigen,
welche die Aufbereitung verkomplizieren und
verteuern bzw. im schlimmsten Fall ganz verhindern.
Des Weiteren sinkt mit Materialeinsparungen die Attraktivität
für das Recycling. Vermeintliche Optimierungen in
der Fertigung können sich also am Ende als Malus für
ein ökonomisch sinnvolles Recycling darstellen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Prozessrückstände
in ihrer Gesamtheit relevante Rohstoffquellen
darstellen. Sie sind für den Betrieb der einheimischen
Hütten unverzichtbar, welche die nationale
Rohstoffversorgung anteilig sichern. Der Aufbau von
strategischen Rohstoffreserven bzw. Kapazitäten,
könnte ein sinnvoller Weg sein, um die Versorgung auch
im Krisenfall zu ermöglichen. Es ist daher eine politische
Aufgabe, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Auch
die Umwelt profitiert stark von einer Verhüttung vor Ort
- mit modernsten Technologien und unter strengsten
Auflagen, wie wir diese in Deutschland haben.
Metalle können zu nahezu 100 % wiederverwertet werden,
sodass mit deutlich niedrigerem Energieaufwand und
erheblich geringeren Emissionen als bei der Verhüttung
von Konzentraten aus dem Bergbau, die benötigten Legierungen
hergestellt werden können. Somit hat eine starke
Kreislaufwirtschaft nicht nur positive Effekte auf die Rohstoffsicherung
- sondern bedient ebenso die Ziele der CO2
Minimierung, und des Umwelt- und Arbeitsschutzes.

 

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